Es geht ein Gespenst um, ein gar fürchterliches Gespenst, wenn man so mancher Diskussion glauben darf. Es geht um eine Frauenquote – nicht für die Wirtschaft, sondern in der Piratenpartei.
Dazu auch mal ein paar mehr oder weniger geordnete Gedanken.
Relativ unstreitig haben wir ein Problem mit der Frauenquote in der Partei – und zwar derjenigen Frauen, die Mitglieder der Partei sind. Ob und wie sich das in einer Unterrepräsentation in Ämtern und auf Listen niederschlägt, kann derzeit niemand so genau sagen. Jedenfalls aber haben wir deutlich weniger Frauen in der Partei, auf Listen oder in Ämtern als der Anteil von Frauen in der Gesellschaft beträgt. Da bewegen wir uns in ähnlichen Größenordnungen wie, es ist traurig zu sagen, die CDU. Das an sich könnte uns zu denken geben.
Es könnte uns auch zu denken geben, dass wir zwar als Partei das übergreifende Thema „Beteiligung“ haben. Das impliziert den Willen, alle Menschen in den politischen Gestaltungsprozess mit einzubeziehen und zwar so gut es geht, gleichermaßen und mit gleichen Chancen. Wir gehen davon aus, dass Lösungen für gesellschaftliche Probleme umso besser werden, je breiter die Beteiligung ist und je mehr sich die Gesellschaft dabei einbringen kann. Das gleiche muss für uns auch innerparteilich gelten. Das umzusetzen sind wir aber scheinbar nicht so in der Lage, dass es auch zu einem Willen von Frauen zur Beteiligung in der Partei führt, warum auch immer. Man kann auf die Idee kommen, dass das ein Glaubwürdigkeitsproblem ist. Ob eine Frauenquote dabei helfen kann oder nicht, können wir nicht vorhersagen, wir haben ja alle keine Glaskugel, die uns die Zukunft vorhersagt. Aber ein paar recht plausible Annahmen dafür gibt es jedenfalls.
Eine Frauenquote soll dazu beitragen, als einziges Mittel kann sie nicht funktionieren, dass Frauen in der Partei sichtbarer werden und – und das ist der springende Punkt – die Männer (die nun mal den weit überwiegenden Teil der Parteimitglieder ausmachen) dazu anregen, sich dafür einzusetzen, dass mehr Frauen in die Partei eintreten, sich wohlfühlen, sich einbringen und dann schließlich auch für Ämter und Mandate kandidieren. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: das Problem ist nicht in erster Linie, dass Frauen nicht gewählt werden, sondern dass zu wenige in der Partei sind.
Und ja, das können sinnvollerweise nur diejenigen tun, die in der Partei in der Mehrheit sind, weil die im Zweifel darüber bestimmen, ob sie es wollen oder nicht, welches Klima herrscht.
Aber hilft die Quote wirklich dabei und gibt es keine anderen Maßnahmen? Zum zweiten Teil: ich kenne keine und es wurden auch meines Wissens keine annähernd konkreten Maßnahmen vorgeschlagen. Ob sie hilft, das Ziel zu erreichen, ist für mich die große Frage.
Unzweifelhaft hilft sie in der Wirtschaft, festgefahrene Strukturen aufzubrechen und das Ähnlichkeitsprinzip bei der Einstellung, Beförderung und Auswahl von Führungskräften in Frage zu stellen. Dann reicht es eben nicht mehr, einfach nur noch Männer einzustellen mit dem Hinweis, sie seien eben qualifizierter, was häufig nichts anderes heißt, als dass sie dem Entscheider ähnlich sind. Nur haben wir dieses Problem in der Partei gar nicht. Es sind eben nicht die Vorstände oder andere, die darüber entscheiden, wer gewählt wird, anders als in anderen Parteien. Und eine Mitgliederversammlung hat, weil eben keine persönlichen Verantwortlichkeiten bestehen, einen geringeren Anreiz, negative Folgen zu vermeiden als es persönlich Verantwortliche haben. Wenn eben alle gemeinsam verantwortlich sind, ist es im Zweifel keiner bzw. andere ™. Auf diese Verantwortlichen in Unternehmen zielt aber genau die Quote in der Wirtschaft und verpflichtet sie indirekt, den Frauenanteil zu erhöhen.
Ich habe auch erhebliche Zweifel, ob es bei dem scheinbar deutlichen Widerstand innerhalb der Partei wirklich zu den theoretisch folgenden indirekten Effekten einer Quote kommen oder ob der Widerstand nicht zum Scheitern der Idee führen muss, mit insgesamt negativen Folgen für die ganze Partei. Das ganze insbesondere vor dem Hintergrund, dass sich nicht wenige Frauen gegen Quoten aussprechen, gerade weil sie keine Quotenfrauen sind und auch nicht den Anschein in der Öffentlichkeit wollen, dies zu sein. Dieses Argument kommt scheinbar eher in Gebietsverbänden vor, die im innerparteilichen Vergleich eher einen höheren Anteil an aktiven Frauen zu haben scheinen (man beachte bitte den bewußt vorsichtigen Ausdruck!).
Was ich allerdings in der Diskussion ziemlich unmöglich finde, sind Argumentationen, die darauf hinaus laufen, dass es auch andere unterrepräsentierte Gruppen gebe und dass man dann auch Quoten für diese Gruppen einführen müsse, ansonsten könne man einer Quote für Frauen nicht zustimmen. Hier wird eine mögliche Unterrepräsentation von Minderheiten verglichen mit der Unterrepräsentation der Hälfte der Bevölkerung. Dass dies nicht unbedingt das gleiche ist und dass die Unterrepräsentation einer Hälfte der Bevölkerung ein deutlich größeres Problem darstellt, bedarf eigentlich keiner größeren Erklärung. Zumal ein identisches Phänomen nicht unbedingt auf die gleichen Ursachen zurückzuführen ist und dementsprechend die gleiche Maßnahme jedenfalls nicht zwingend nützlich sein dürfte.
Geschlagen wird diese Argumentation allerdings noch von der, die ich nur aus der Gruppe der Queer-Piraten (nicht von allen!) kenne, die für sich selbst in ihren berechtigten Interessen bei jeder Gelegenheit Solidarität einfordert, dann aber Solidarität verweigert mit der Argumentation, sie selbst würde sich dadurch diskriminiert und ausgegrenzt fühlen (!). Dass reale Unterrepräsentation und gefühlte Diskriminierung sich ziemlich unterscheiden, bedarf keiner näheren Erläuterung, scheint aber gedanklich für einige nicht ganz so einfach nachvollziehbar.
Schlußendlich: Ob eine Frauenquote den erhofften Effekt mit sich bringt, kann ich nicht abschließend für mich sagen. Ich könnte wahrscheinlich dem SÄA016 zustimmen, denn ich sehe derzeit keine anderen Maßnahmen, die Erfolg versprechen könnten. Sollten Erfolg versprechende vorgeschlagen werden, bin ich sofort dabei. Denn schließlich wollen wir ja etwas verändern und nicht bei als unbefriedigend erkannten Zuständen verharren.